Auf rund 5.000 Höfen in Oberösterreich werden nach den Daten der letzten Viehzählung Schweine gehalten. Für zirka 1.700 davon, die in Summe rund eine Million Schweine und damit gut 90 Prozent des oberösterreichischen Schweinebestandes halten, ist die Schweinehaltung die Haupt-Einkommensquelle. Das sind zum einen Betriebe, die sich auf die Haltung von Zuchtsauen oder auf die Schweinemast spezialisiert haben, wie auch Betriebe, welche die selbst erzeugten Ferkel dann auch fertig mästen. Das Umfeld, in dem diese Betriebe zurzeit arbeiten müssen, ist durchaus herausfordernd.
„Mit einem Anteil von 40 Prozent am gesamtösterreichischen Schweinebestand ist Oberösterreich das führende Bundesland in der Schweinehaltung. Daher ist eine nachhaltig positive Entwicklung dieser Sparte auch für uns als Landwirtschaftskammer von großer Bedeutung. Corona verursachte extreme Anspannungen auf den Märkten. Deshalb begrüßen wir den vor Kurzem angekündigten Verlustersatz für die Schweinemast und die Ferkelerzeugung. Wir sind auch bereit, den Weg hin zu noch mehr Tierwohl im Schweinestall zu gehen, wenn dieser Zusatzaufwand in den Fleischpreisen abgegolten wird. Außerdem bin ich ein Verfechter starker Erzeugerorganisationen: Wir brauchen eine starke Bündelung auf der Landwirtschaftsseite, um mit dem Lebensmittelhandel auf Augenhöhe verhandeln zu können“, ist Franz Waldenberger, Präsident der Landwirtschaftskammer OÖ, überzeugt.
Markt extrem angespannt
Nach einem bereits unterdurchschnittlichen Jahr 2020 sank der Erlös für Mastschweine und Ferkel im letzten Jahr nochmals um etwa 11 Euro je Mastschwein bzw. um 10 Euro je verkauftem Ferkel. Aktuell befinden wir uns beim Mastschwein mit einem Basispreis von 1,30 Euro je Kilogramm Schlachtgewicht auf einem Niveau, das nur Anfang letzten Jahres covidbedingt nochmals leicht unterschritten wurde. Gleichzeitig sind die Erzeugungskosten aber deutlich gestiegen, von Eiweißfuttermitteln über Strom und Düngemittel bis zu Maschinenkosten. Auch die kalkulatorischen Kosten des am Hof erzeugten Futters liegen deutlich höher und drücken den Deckungsbeitrag für die Tierhaltung. Wie weit es hier im Lauf des heurigen Jahres zu einer Entspannung kommt, wird wesentlich davon abhängen, ob in anderen produktionsstarken EU-Ländern die Schweinebestände wegen der schlechten Ertragslage abgestockt werden.
Verlustausgleich bringt dringend notwendige Unterstützung
Durch den schwächelnden Absatz im Bereich Gastronomie und Hotellerie, die covidbedingt deutlich niedrigere Gästefrequenzen haben, ist die schlechte Preislage wesentlich mitverursacht. Daher ist es umso erfreulicher, dass vom Landwirtschaftsministerium die Förderrichtlinie für den Verlustersatz bei Schweinemast und Ferkelerzeugung für die Monate Dezember 2021 bis Februar 2022 verlängert wurde. Die Bundesanstalt für Agrarwirtschaft wird in den nächsten Wochen aufgrund der aktuellen Zahlen auf der Kosten- wie Ertragsseite die Höhe des Verlustausgleichs ermitteln. Ab April können die Schweinehalter den Verlustausgleich so wie schon letztes Jahr online beantragen.
Mehr Tierwohl – was sagt der Markt
In Meinungsumfragen bekunden die Konsumenten häufig den Wunsch nach Schweinefleisch aus noch tierfreundlicherer Haltung. Sei es mehr Fläche, Einstreu, Beschäftigungsmaterial oder Fütterung mit ausschließlich europäischen Futterkomponenten. Der Verband Österreichischer Schweinebauern VÖS als Dachorganisation der Branche hat hier gemeinsam mit der AMA-Marketing ein Paket geschnürt, wo künftig Schweinefleisch in Programmen mit deutlich höheren Tierwohlstandards bis hin zu Bio angeboten werden soll. Aber mehr Tierwohl heißt mehr Arbeitszeit, mehr Fläche im Stall, höhere Kosten der Haltung und Aufzucht.
„Diese höheren Kosten werden sich im Preis des Produkts abbilden. Der Wunsch des Konsumenten nach mehr Tierwohl darf sich daher nicht auf Willensäußerungen bei Umfragen beschränken, sondern muss sich auch an der Ladentheke bei der konkreten Kaufentscheidung zeigen. Die österreichischen Schweinebauern sind jedenfalls bereit, den Weg hin zu noch mehr Tierwohl im Schweinestall zu gehen, wenn auch die Konsumenten mit ihrer Kaufentscheidung diesen Weg mitgehen“, so Waldenberger.
Verhandlungen auf Augenhöhe
Der Lebensmittel-Einzelhandel (LEH) in Österreich zeigt eine enorm starke Konzentration auf wenige Konzerne. Wenn es darum geht, mit dem LEH neue Markenprogramme und Qualitätsstandards auf den Weg zu bringen, braucht es daher unbedingt schlagkräftige Erzeugerorganisationen auf Landwirtschaftsseite. „Nur wenn solche Erzeugergemeinschaften wie der Verband landwirtschaftlicher Veredelungsproduzenten VLV das Angebot auf Bauernseite koordinieren und die Rahmenbedingungen für diverse Qualitätsprogramme ausverhandeln, gibt es eine positive Weiterentwicklung. Daher ist es uns als Landwirtschaftskammer wichtig, dass möglichst viele Bauern die Vorteile einer Mitgliedschaft im VLV nutzen, zum Vorteil ihres Betriebs wie auch zum Vorteil für die ganze Sparte“, betont Waldenberger.
Lesen Sie in Folge die Zusammenfassung der offiziellen Statements.
AMA-Gütesiegel mit neuen Regeln
Statement von Johann Schlederer, Geschäftsführer des Verbandes landwirtschaftlicher Veredelungsproduzenten
Auf politischer Ebene stand die Schweinhaltung 2021 im Fokus wie selten zuvor. Tierschutzvolksbegehren und diverse Stalleinbrüche durch NGOs hilten uns in der Interessenvertretung auf Trab. Die vehemente Forderung nach mehr Tierwohl im Schweinestall führte letztlich zu zwei substanziellen Konsequenzen.
Ein Upgrade beim AMA-Gütesiegel
Das bedeutet ab 2022 zehn Prozent mehr Platz für die Schweine, zusätzliches Beschäftigungsmaterial, Teilnahme am Antibiotikamonitoring sowie verpflichtender Einbau von Ökospalten bei Neubaubetrieben. Wei- ters wird die AMA das Gütesiegel mit zwei Tierwohlstufen ausstatten, was defacto der Einstieg in die Haltungskennzeichnung ist. Zukünftig wird es ein dreistufiges AMA-Gütesiegel geben. Basisqualität mit 10 % mehr Platzangebot, eine weitere Version mit 60 % mehr Platz und ein Top-Segment mit 100 % mehr Platz. Die beiden Tierwohlstufen sind mit einer Reihe weiterer Auflagen verknüpft.
Auch auf Ebene der allgemein gültigen gesetzlichen Bedingungen wurde im Parlament gegen Jahresende der herkömmliche Vollspaltenboden zu einem Auslaufmodell. Demnach wird ab 2023 bei Neu- und Umbauten für alle Schweinemäster der Einbau von Ökospalten zur Pflicht. Dies ist ein Spaltenboden mit einem eigenen Liegebereich der maximal zehn Prozent Lochanteil aufweist.
ASP gefährlicher als COVID
Die für den Menschen ungefährliche Afrikanische Schweinepest (ASP) breitet sich seit 2014 in Europa aus. Inzwischen sind vier Nachbarstaaten, d. h. Deutschland, Slowakei, Ungarn und seit ein paar Wochen auch Italien davon betroffen. Auch in Österreich kann es jederzeit zu einem Ausbruch kommen, speziell im Wildschweinebestand. Da es bis dato keine wirksame Impfung gegen dieses Virus weder für Hausnoch für Wildschweine gibt, hilft derzeit ausschließlich die Bewusstseinsbildung hinsichtlich Biosicherheit. Dies gilt für die Landwirte, die ihre Betriebe gegen Einschleppung absichern müssen, aber auch an die Allgemeinheit sei der Appell gerichtet, nicht als Überträger zu fungieren. So wie es in Italien zuletzt passiert ist. Dort dürfte das Virus von Menschen, die infizierte Schweinefleischprodukte achtlos ins Gelände weggeworfen haben, einge- schleppt worden sein. Wildschweine auf permanenter Futtersuche infizieren sich dann. Der Status ASP-frei ist im internationalen Fleischhandel inzwischen zu einem Qualitätsmerkmal geworden, welches wir für Österreich natürlich so lange wie möglich halten möchten.
„Kommt es zu einem Ausbruch, würde das nicht nur zu erheblichen Einschränkungen im Tierverkehr bei Betrieben in betroffenen Regionen führen, sondern insgesamt einen schmerzlichen Preisverfall nach sich ziehen. Im ASP-Fall ist man für den Export außerhalb der EU, speziell nach Asien, gesperrt. An dieser Stelle darf man einen Dank an die Veterinärbehörde aussprechen, mit der wir gemeinsam in Anlehnung an EU-ge- setzliche Regelungen bzgl. vorbeugender Maßnahmen gut zusammenarbeiten. Einen Appell möchten wir auch an die Jägerschaft richten, welche soweit wie möglich danach trachten möge, die Wildschweinepopulation in unseren Breiten so niedrig wie möglich zu halten“, appelliert Dr. Johann Schlederer, GF des Verbandes landwirtschaftlicher Veredelungsproduzenten (VLV).
Diskussion auf Augenhöhe
Markus Brandmayr, Obmann des Verbandes der landwirtschaftlichen Veredlungsproduzenten
Der VLV wurde als Fachverband der Landwirtschaftskammer vor 55 Jahren gegründet. Damals war es die Übermacht der Viehhändler, die sich aufgrund der damaligen Intransparenz am Markt mit teils unfairen Geschäftspraktiken „mehr herausnahmen als ihnen zustand“. Durch die VLV-Gründung wurde das Angebot gebündelt.
Die Mächtigen der Branche
„Heute sind es nicht mehr Viehhändler und Schlachtbetriebe, die die große Marktmacht besitzen, vielmehr ist es die Fleischindustrie und der Fleischgroß- und – Einzelhandel. Und weil die Konzentration in diesen Bereichen immer weiter vorangeschritten ist, mussten auch wir uns auf bäuerlicher Ebene immer besser organisieren“, erläutert Markus Brandmayr, Obmann des VLV.
Der VLV umfasst heute ca. 1.350 Schweinebauern aus Oberösterreich und den angrenzenden Bundesländern Salzburg und Niederösterreich. Mit dem Jahresumsatz von 857.000 Schlachtschweinen und 805.000 Ferkeln ist der VLV die größte Schweineerzeugergemeinschaft Österreichs, gefolgt von den zwei Schwesterorganisationen Styriabrid in der Steiermark und Gut Streitdorf in Niederösterreich, mit denen im Verband Österreichischer Schweinebauern auf Bundesebene gut zusammengearbeitet wird.
Aufruf an alle Schweinebauern
„Die Konzentration auf Abnehmerseite steigt weiter, sodass wir gefordert sind, unseren Marktanteil weiter zu erhöhen. Wir wollen weiter auf Augenhöhe mit den großen Abnehmern über den uns zustehenden Anteil in der Wertschöpfungskette verhandeln und rufen demnach alle Schweinebauern auf, die noch nicht über unsere Organisation VLV vermarkten, dies bei nächster Gelegenheit in Angriff zu nehmen. Zum einen stärkt es die Position der gesamten Branche und zum anderen beinhaltet unsere Dienstleistung ein umfassendes Sicherheitspaket bei der Vermarktung, d. h. Bestpreis, Zahlungsgarantie und Abnahmegarantie sowie ein umfassendes unabhängiges Beratungsprogramm für die Bereiche Zucht, Haltung und Fütterung“, betont Brandmayr.
Heimische Ferkelbauern zweifel und verzweifeln
Die Zusammenfassung des Statements von DI Johann Stinglmayr, Leiter der Beratungsstelle Schweinhaltung.
Das vergangene Jahr mit den Auswirkungen der Coronapandemie und den Marktverwerfungen durch die Afrikanische Schweinepest lassen die Bäuerinnen und Bauern verzweifeln. Die aktuelle Einkommenssituation und vor allem die unsicheren Aussichten für das heurige Jahr bereiten größte Sorge. „Das geht nicht nur an die wirtschaftliche Substanz, sondern schwächt das Vertrauen in diese Produktionssparte nachhaltig. Und dabei bräuchten gerade die Ferkelerzeuger viele einkommensstarke Jahre, um die extrem hohen Um- stellungskosten, die durch sich ändernde politische Rahmenbedingungen entstanden sind und noch entstehen werden, ausgleichen zu können“, erläutert DI Johann Stinglmayr, Leiter der Beratungsstelle Schweine- haltung. Erinnert sei an die Einführung der Sauen-Gruppenhaltung, an die zukünftig fordernde Umstellung auf Bewegungsbuchten im Abferkel- und Deckbereich sowie die neuen Vorschriften in der Tierschutzgesetz- gebung. Gleichzeitig versetzen politische Gruppierungen und NGOs die Bäuerinnen und Bauern mit der ständigen Forderung nach noch mehr und kostenintensiven Tierwohlmaßnahmen in eine permanente Stress- situation.
Krisenhafte Lage
• Der durchschnittliche Ferkelpreis im Jahr 2021 ist nach einem bereits nicht berauschenden Jahr 2020 noch einmal um zehn Euro je Ferkel oder 15 Prozent gefallen.
• Die Umsatzverluste der ca. 600 oberösterreichischen spezialisierten Ferkelerzeuger im letzten Jahr betragen damit weitere zehn Millionen Euro.
• Extrem gestiegene Produktionskosten und stagnierende Preise machen die heimische Ferkelerzeugung unrentabel.
• Die Preismisere und eine gefühlte gesellschaftliche Geringschätzung lässt bei vielen Familienbetrieben eine Sinnkrise entstehen.
• Instabile, viel diskutierte und sich ständig ändernde Rahmenbedingungen verunsichern die Bäuerinnen und Bauern und ihre potenziellen Hofnachfolger.
• Eine nicht zuletzt dadurch entstandene Investitionsflaute führt bereits zu einem schleichenden Verlust der heimischen Ferkelproduktion.
Krise als Chance
„ Wenn die Aufrechterhaltung einer Selbstversorgung in der gesamten Produktionskette der Schweinfleischerzeugung tatsächlich ein hohes Gut für ein Land wie Österreich darstellt, bedarf es eines anderen und vor allem ehrlicheren Umgangs mit den Bäuerinnen und Bauern sowie mit der gesamten Branche“, ist Stinglmayr überzeugt. Trotz aller aktuellen Schwierigkeiten bietet diese derzeitige Krise auch Chancen, und zwar dann, wenn unsere Bäuerinnen und Bauern es schaffen, in dieser schwierigen Zeit durchzuhalten und wenn die Gesellschaft die Leistungen der Schweinehalter auch entsprechend honoriert.
Wenn uns die Leistungen dieser Familienbetriebe als Gesellschaft auch in Zukunft wichtig sind, muss rasch ein umfassendes Entschädigungs- und Investitionsförderungskonzept für diese systemrelevante Be- rufsgruppe angeboten werden, damit die unverschuldeten Einkommensverluste ausgeglichen und die neuen Herausforderungen finanziert werden können – so wie dies auch für andere Berufsgruppen bereits umgesetzt wurde.
Mittelfristig wird diese Krise eine Veränderung der Produktionsverhältnisse in der EU bewirken. Nicht nur die Anzahl der Sauenhalter, sondern auch die der Muttersauen nimmt in Europa stark ab. Die Wertigkeit des eigenen Bodens für die Versorgung der Tiere mit eigenem Futter und für die Verwertung der anfallenden Wirtschaftsdünger nimmt zu. Die bodengebundene Schweinehaltung, wie sie in Österreich seit jeher vollzogen wird, wird also an Bedeutung gewinnen. Mittelfristig wird damit auch die Wettbewerbsfähigkeit unserer Familienbetriebe verbessert werden. Die Schweinebranche hat in den letzten Jahren bewiesen, dass sie sich einer planbaren Entwicklung hin zu höheren Tierwohlstandards keinesfalls verschließt. Der Tierwohlpakt, die Weiterentwicklung beim AMA-Gütesiegel und die neuen Tierwohlmaßnahmen als Mindeststandard in der Tierschutzgesetzgebung beweisen das eindrucksvoll.
„Wir müssen unseren Bäuerinnen und Bauern Vertrauen schenken. Das ist die größte Chance, die Eigenversorgung auch in Zukunft durch die heimische Landwirtschaft absichern zu lassen“, betont Stinglmayr.